Der Fall:
Der nach dem Anwendungsbeginn der Erbrechtsverordnung mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich verstorbene Erblasser war französischer Staatsangehöriger. Er hinterließ zwei Söhne. Einer von ihnen ist Vincent Pierre Oberle, der Antragsteller im Ausgangsverfahren. Der Nachlass befindet sich in Frankreich und in Deutschland. Herr Oberle beantragte beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin die Ausstellung eines gegenständlich auf die in Deutschland belegenen Nachlassgegenstände beschränkten Erbscheins.
Das Amtsgericht erklärte sich jedoch gemäß Art. 4 in Verbindung mit Art. 15 EuErbVO für unzuständig. Seiner Ansicht nach dürften deutschen Zuständigkeitsvorschriften nicht mehr zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit herangezogen werden. Die Bestimmungen der Erbrechtsverordnung kämen nämlich vorrangig vor den nationalen Rechtsvorschriften zur Anwendung. Daher seien nach Art. 4 EuErbVO die französischen und nicht deutschen Gerichte als Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, für alle Erbangelegenheiten zuständig seien, u. a. auch für den Antrag des Herrn Oberle auf einen deutschen Erbschein.
Zur Klärung legte das Kammergericht dem EuGH die folgende Frage vor:
Ist Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen, dass damit auch die ausschließliche internationale Zuständigkeit für den Erlass der nicht vom Europäischen Nachlasszeugnis ersetzten nationalen Nachlasszeugnisse in den jeweiligen Mitgliedstaaten (vgl. Art. 62 Abs. 3 der Verordnung Nr. 650/2012) bestimmt wird, mit der Folge, dass abweichende Bestimmungen der nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse – wie z. B. in Deutschland § 105 FamFG – wegen Verstoßes gegen höherrangiges Europarecht unwirksam sind?
Die Entscheidung:
Der EuGH entschied: eine Anwendung des nationalen Rechts bei der Bestimmung der allgemeinen Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte für die Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse würde dem […] erklärten Ziel [der Erbrechtsverordnung] zuwiderlaufen, das in der Sicherstellung der Kohärenz zwischen den Bestimmungen über die Zuständigkeit und denen über das in diesem Bereich anwendbare Recht liegt.
Damit hatte sich das AG Schöneberg zu Recht für unzuständig erklärt. Zuständig ist gem. Art 4 der EuErbVO ausschließlich das französische Nachlassgericht, weil der Erblasser dort seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. In derartigen Fällen ist die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheines durch ein deutsches Gericht nunmehr ausgeschlossen.
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(EUGH, Urt. v. 21.06.2018- C-20/17)